Vor ein paar Wochen hat mich ein
Freund aus Berlin gefragt, was ich an meinem Kleinwalsertal (dieser beliebten
Sommer- und Winter-Tourismus-Destination) in meinem „www.klein-österreich.at“, als
Einheimische mit Wurzeln so speziell und schön finde, um ihm als Fremdem die
Augen für das Besondere zu öffnen. Spontan habe ich geantwortet: „Das
Lebensgefühl.“ Doch das reichte meinem Freund nicht. Er wollte Fakten,
Erlebnisse – etwas Handfestes eben. Und weil er nicht locker ließ, habe ich ihm
schnell eine ganz persönliche Liste von Begebenheiten zusammengestellt, die für
mich im Laufe meines Lebens dieses Lebensgefühl charakterisieren - kurzum –
meinen Wohlfühlfaktor:
„die
kleine Tankstelle“
Mein Lieblingsplatz. |
Brotzeit aus dem Rucksack
... besser wie am gedeckten Tisch oder gar aus
der modernen Imbiss-Kette. Ich mach’s mir allerliebst auf einem Baumstumpf oder
dem Wiesenboden bequem, während meine Freunde, die hungrigen Dohlen, schon
drauf warten, dass die Brotzeit aus dem Rucksack geholt wird. Ich genieße
dieses Vergnügen mit meinen gefiederten Freunden, bis sie sich mit Flugkünsten
bedanken und im Licht der schrägen Sonnenstrahlen hochtrabend abtauchen. Dann
lege ich mich allerliebst noch zurück und schaue dem fliegenden Wunder Natur
nach, bis mich die Verantwortung einholt, dass ich meine To-do-Liste vergessen
hab’! Aber das Leben hier ist einfach soooo lebenswert!
„das kleine
Disneyland“
Einen unvergesslichen
Jahreswechsel verbrachte ich mit Freunden in der gigantisch gelegenen Hütte
meines Bruders. Von dort hat man einen Blick, als würden wir auf einem Balkon
über dem Dorf thronen. Wenn der Himmel in der Sylvesternacht zudem makellos
ist, entsteht der zauberhafte Eindruck, als würde dieses bunte Feuerwerk über
einem „kleinen Disneyland“ entfacht. Denn hier liegt die Besucherzahl zu dieser
Zeit bei ca. Elftausend, so habe ich mir sagen lassen. Gemeinsam stößt man auf
das neue Jahr an, umarmt sich, wünscht sich nur das Beste, nimmt sich Sachen
vor, die man doch nicht lange durchhält und fragt sich, was das junge Jahr wohl
mit einem vor hat. Was ein prickelnder Zauber .....
Das Heimatgefühl: Ich spür’ es immer und abermals
wieder,
.....wenn ich den Otto treff’ in seiner Lederhose, nicht „made in Sri
Lanka“, sondern handgeschneidert in Österreich - zudem betagt und soo schön
speckig, wie es sich für eine richtige Original-Lederhose gehört. Diese Lederhose
ist nicht abstoßend und kitschig. Nur das wissen Jörn, Birthe & Co. nicht,
wenn sie in ihrer Begeisterung auf der Suche nach der richtigen Ledernen einem
Werbeknaller erliegen und sich zur Krönung noch an einem „falschen“ Tirolerhut
vergreifen. Nur unser Otto kennt das Original. Und wenn er die stolzen
Touristen in den Lederhosen sieht, wenn sie bei braunem Getränk sitzen, auf dem
weißer Schaum tanzt, denkt er sich, „au weia, wieder ein Kostümierter“.
....oder wenn ich den Hansl beim Bäcker treff’ und er mir im Vorbeigeh’n kurz in
den Arsch kneift. Das ist Spaß und kein
„sexueller Übergriff“, wie es anderswo abgeurteilt wird. Auch wenn der blaue
Fleck nach gar drei Wochen erst verschwindet, so begeistert hat er samt Jeans
zugepackt. Aber Heimatgefühl darf auch mal weh tun!!!! Und ich weiß, dass er
sich noch fürs andere Geschlecht interessiert, obwohl er bald acht Jahrzehnte
in uns’re liebenswerte Welt gehört.
„Das Wurzelheim“ - mein Elternhaus
Viel Holz und Anderweitiges
an altem Mobiliar und Inventar bürgt in diesem edlen Heim für ein gesundes
Lebensgefühl. Es sind Dinge aus Großelterns Zeiten, die an gestern und
vorgestern erinnern. Ich glaube nicht an Gespenster oder Ähnliches, aber für
mich haben diese alten, naturbelassenen Häuser eine Seele. Und Gefühle der
Menschen, die darin wohnten und wohnen, sickern in die Wände. Mich überkommt
solches Gefühl, wenn ich ein Haus betrete. Und mir wird ganz warm ums Herz,
weil ich eine bestimmte Atmosphäre spüre. Wie der massive Holztisch mit Kerben
und verblassten Strichmännchen, die an das Verrichten von Hausaufgaben
erinnern, die sich trotz mehrmaliger Versuche nicht entfernen ließen. Wie
umwerfend, dieses geschichtsträchtige Leben, designed vom Charme der
Vergangenheit, doch sein kann, für mich einfach unbezahlbar. Als Krönung über
diesem runden Tisch, das glänzende Krallentäfer mit dem mehr als 300 Jahre
alten stummen Zeugen vieler Höhen und Tiefen in diesem Heim, das Kruzifix.
Komme ich dagegen in Häuser
über unsere Grenzen, so spüre ich eine Traurigkeit in manchen Wänden. Diese
Häuser kommen mir vor wie ohne Seele. Auch da und dort alte Bilder oder
Möbelstücke deuten für mich darauf hin, dass die Leute passionierte
Flohmarkt-Jäger sind, jedoch ohne gelebte Tradition und Inspiration von der
Vergangenheit. Die Herzlichkeit und Wärme in diesen Häusern wirkt vorgetäuscht.
Mir fehlt das gute Gefühl, sich an den Tisch setzen zu wollen, um zu verweilen.
Übrigens – mein Gästefreund
hat mir jetzt verraten, warum er das mit meinem Lebensgefühl so genau wissen wollte.
Er hat ein Immobilienangebot in unserem paradiesischen Tal und wird im Herbst
von der Spree ins Tal der Breitach zieh’n. Ja – dann sehen wir mal, wie es dann
ab Herbst mit ihm weitergeht.