Auf meinem
täglichen Schleich-Pfad bin ich den Bäumen keine Fremde. Ganz besonders hat es
mir darunter „Bruno“ angetan. Dieser heimische Gigant mit abertausend vielen
Nadeln hat mich zudem einmal beschützt, wie mir ein Naturgeschehen regelrecht
„das Schaudern“ lehrte. Als plötzlich immer dunklere bis schwarze Wolken
aufzogen, befand ich mich mit meinem Labrador in Sekundenschnelle mitten in
einem tosenden Unwetter, mit schaurigem Blitz-Gewitter. Schnell konnte ich mich
noch in der idyllischen Waldnische unter meine favorisierte Tanne retten. Der
Regen war so mega-schnell und peitschend, dass ich zum Schutz nur noch beide
Hände vor meine Augen hielt. „Weltuntergang“, so hieß mein Gedanken-Chaos. Und
schon geschah es. Nur eine gewöhnliche Hauslänge von mir und meiner
vierbeinigen Blondine entfernt, hat sich der Blitz im Wiesenboden mit
teuflischem Krachen entladen. Nur die „himmlische mail-box“ und„Bruno“ haben
mich vor Schlimmem bewahrt, bin ich mir sicher. So ist zwischen „Bruno“und mir
eine „verrückte“ Liebe gewachsen. Immerfort, wenn ich ihn über seine
verästelten Fühler passiere, schenke ich ihm dankend Augenkontakt und mehr. Ich
weiß es, der gute Geist in seinen mächtigen grünen Armen wurde zu meinem
Schutzengel. Seitdem ist er ganz geheim „mein Bruno“. So hieß ein lieber
Verwandter, der in seiner hoch gewachsenen Gestalt auch knorrig war und mir als
Kind ein Vieles seiner Liebe schenkte. Zudem war er geschätzt als Wunderheiler
für Mensch und Vieh und in seiner spärlichen Freizeit als Jäger mit Vorliebe in
diesem Part Wald zu Haus’.Drum hab’ ich den Rundling spontan nach „Bruno“
benannt, weil ebenso rar als Energieträger, wie mein seliger Verwandter, und
dem Kern für durch und durch körperliche Harmonie.
Doch diese Tage
geschah Merkwürdiges. Im Vorübergehen wurde ich in dieser Stille mit einem
“Sprecher“ überrumpelt. Jedoch weit und breit niemand zu sehen. Dann wieder -
aber jetzt wie Gelispel. Ich bin wie unter Strom zusammengezuckt und hatte
Angst, mein Herz geht ins Finale. „Ich hab’ Dich so vermisst“, ließ die dumpfe
Stimme mich in verwaschener Sprache, aber deutlich wissen. Ich solle ein paar
Schritte nach rechts tun, damit die dicken Regentropfen nicht wieder an mir
abprallen. „Hier sorgt sich jemand um dich, du warst ganze sieben Tage nicht in
diesem Wonne-Revier“. Die Stimme kommt wie von einem Tonträger, jedoch aus
„Brunos“ Herzstück. Ich wage kaum noch, mich zu bewegen. Ich dreh’ mich immer
wieder um und bin nicht froh darüber, maus-alleine zu sein mit einem Walser
Geist. Ich spüre meine blutigen Lippen, so haben die Zähne in meiner
Angespanntheit durchgebissen. Dass meine Bluse triefendnass und schwer an mir
klebt, beginne ich erst jetzt, wahrzunehmen.
Und schon beginnt
dieser mein Nadelfreund, in tiefem Ton zu lamentieren. Keiner wisse um den
tiefen Schmerz, den ein hundsgemeiner Mörderdraht auf Brusthöhe hervorruft.
Irgendeinem Kuhhirten habe es gefallen, ein spitzes Dingsda mit ein paar tief
ausgeholten Schlägen wie ein Pfeil in seine raue Brust zu treffen. Er fleht,
seine verhornte Oberfläche zu befreien, um sein Herz vor gefährlicher Nässe zu
schützen und schadhaften Wichten diesen tunnelhaften Zugang zu versperren. Denn
die auch noch so kleine Wunde durch das stachelige Monsterteil reicht aus, dass
Eindringlinge sein Dasein erschweren und der mächtige Grüne keine Vitamine mehr
überallhin verteilen kann. Das Unwohlsein zieht stromartig bis in den Wipfel
der Baumkrone. Dieser ungetüme Heumacher, so „Bruno“, war niemals in einer
richtigen „Bergbauern-Schule“. Mein Schädel brummt nur noch, und ich lege meine
flach gehaltenen Hände zur Beruhigung an meine Stirn. „Bruno“ fährt stockend
weiter, wie gemein es sei, wenn dieser Jemand ihn täglich auf ein Neues mit
seinen übel riechenden und ätzenden Körpersäften markiert. Kopfschüttelnd sitze
ich am modrigen Waldboden und weiß nicht mehr hin und zurück. Ich schäme
mich„fremd“ für solche Pinkeltäter und rate, diesen Kerlen in ihrem
unkontrollierten Drang zu vergeben.
Ich fühle mich
wie in „einem kochenden Hauptwaschgang“. Gottlob weicht mir mein treuer
Labrador nicht von der Seite, so unheimlich ist mir. Dann lässt „Bruno“ mich
noch Gustis Besuche wissen, stets nach Anbruch der Dunkelheit. Ich weiß über
dieses Geheimnis, wenn meine entfernte Nachbarin ihr Sammelsurium an Speckschwarten,
Hühnerklein und Extras vom guten Bauerntisch liebevoll in den Mulden seiner
Wurzelspalten ablegt für Familie Isegrim, die gar nicht weit weg ihre Behausung
hat. Das ist Seelenschmaus für meinen Nadelkönig, liebt er doch diese schlauen
Mitbewohner über alles. Sie wagen niemals, mit scharfen Hauern seine grünen
Fühler schmerzhaft zu verbeißen. Wenn der Nachwuchs ausgelassen um den
hölzernen Rundling herumbalgt und ihn vor unguten Nagern oder Pinklern
fernhält, dann lacht sein hölzernes Herz. Schließlich sind sie auch ein
wichtiges Rädchen in der geheimnisvollen Wohngemeinschaft Wald.
Freund „Bruno“
ist für mich wie etwas ganz Großes –nur mit einer Krone über seiner Stirn.
Trotz Spuk und Schreck fühle ich mich unendlich fasziniert und wie verzaubert
von diesem Walser Nadel-Millionär.
Bevor ich jetzt
nach Hause gehe, versuche ich, meinen liebgewonnenen Freund ähnlich wie von
einem „pochenden Zahn“ zu befreien. Doch wie - vergeblich und abermals
vergeblich. Dann hab’ ich’s gleich geschafft - und doch wieder nicht. Mein
eingesetztes Werkzeug „Fingernägel“verleiht mir den Schein eines
unverbesserlichen Nägelkauers. Wie mein Labrador beginnt, die blutigen
Fingerkuppen zu lecken, kommt mir der Verschluss seines Halsbandes blitzartig
als Werkeug-Chance in den Sinn, um den nixigen Klammernagel zu lockern. Jetzt
bringt Bruno seine Worte stolpernd durcheinander, ich glaube es schmerzt ihn
ohne Ende. Dann endlich, habe ich den Übeltäter erwischt, und mein Freund ist
ihn los unter seiner schuppigen Haut. „Bruno“ summt nur noch wie ein Insekt und
verstummt dann gänzlich. Schmerzfrei und erschöpft – dieser lebendige, hölzerne
Rundling - der niemals aufhört zu arbeiten. Die Seele eines Baumes - auf der
Suche nach behutsamer Behandlung. Der Nagel ist entfernt, die Kerbe bleibt.
Dieses wertvolle Gut in unserer Natur gilt es, wichtig zu beschützen.
Ich bin mir
sicher, dass mein Seelenverwandter„Bruno“ in diesem Naturwerk gelegentlich zu
Gast ist, meine Zwiegespräche weiß und dann und wann für den richtigen Schubser
Rückenwind gesorgt hat. Denn er gab mir in seinen zu Ende gehenden Kräften den
Trost, mich irgendwie über Zeichen wissen zu lassen, dass er auf der anderen
Seite gut angekommen ist und wir über einen heimlichen „Zauber“ in Kontakt
bleiben. Bis zu meinem„Baum-Erlebnis“ hatte ich nahezu aufgegeben, von meinem
Seelenverwandten„Bruno“ einmal zu hören, zu sehen oder nur zu ahnen, ob weit
über den Wolken, bei einem nächtlichen Spaziergang oder sonstwo, um ihn nur
einmal wenigstens noch als Toten zu sehen oder zu hören. Ich bin unheimlich
stolz auf den hölzernen Energieträger „Bruno“ und das reiche Erbe „Zauber
Glaube“.
Übrigens, der
nadlige Riese hat seine Wunde mittlerweile mit eigenem Körpersaft verharzt und
sich selbst geheilt. Also -„alles wieder gut“! Ich fühle mich täglich auf
meinem Wonneweg nicht nur dem Zauber eines Baumes erlegen. Zur Natur gehört für
einen echten Walser der Einklang Glaube als etwas Spannendes und
Geheimnisvolles, auch wenn es dabei vielleicht um ein berüchtigtes Quäntchen
Verrücktheit geht, für das man heutzutage eher bewundert werden kann. Aber es
war schon immer so, wer ein wenig verrückt ist, der befindet sich in guter
Gesellschaft. Und dieses wertvolle Gut Glaube, gepaart mit Natur, gilt es zu
achten, beschützen und zu bewahren. Denn nur Glaube kann Berge versetzen, egal
wo er Dir begegnet oder Du ihn findest. Also– mit offenen Augen auf der Hut
bleiben!