Endlich - heute ist Schneeschuh-Wandern an der Reihe, mit meiner Labi-Dame Amy als Begleitung. Ich werde das erste Stück zu Fuß gehen und trage meine Schneeschuhe erst mal im Rucksack mit mir. Denn wenn ich vor dem Landhaus starte, bin ich nicht sicher vor unerwünschten Anhängseln, die ich nur schwer abschütteln kann. Ich möchte unsere märchenhafte Natur alleine genießen und in meiner abenteuerlichen Gedankenwelt unberührt sein - ohne einen Zeitvampir. Zudem ist mein heutiges Wonneziel das „kleine karo“. Mein bester Freund, der "Platzhirsch", wartet dort mit einem treuen Freundeskreis auf mich. Meine Freude ist übergroß, denn er hat extra für mich „Walser Nudelkuchen“ im Gepäck. Mir läuft schon jetzt das Wasser im Mund zusammen und habe dafür mein Mittagessen stehen lassen. Tante Irma hat ihn für mich gebacken, obwohl ihre fast 90 Jahre alten Hände dem Nudelholz fast nicht mehr gewachsen sind. Aber so ist „echte Walser Chemie“, deren Wurzeln leider vom Aussterben bedroht sind.
Riezler Höhenweg |
Und schon geht es ab in den Schnee. Ich bewege mich mit meinen Schneeschuhen in kristalligem Pulverschnee. Ein Kitzel geht durch meinen Körper, sobald ich mit meinem Fortbewegen in dieser Stille das jungfräuliche Geraschel vernehme, wenn ich dabei bin, die Oberschicht der watteweichen Wonne, funkelnd wie abertausende Diamantensplitter, zu ruinieren. Mit tränenden Augen spüre ich, wie mein Walser Seelenhäutchen anschwillt, stereo wie ich diese weiße Zauberdecke „zerstöre“. Und wenn ich hinter mich sehe, werden neue Abdrucke Zeuge, dass hier ein Naturliebhaber durch die Tiefen des Winterdaseins stapft. Ich muss unbedingt in der Waid 1 vorbei und hier ein paar gute Dinge ablegen. Denn diese naturbelassene Stallung ist winters zu einem Tierhaus geworden und hilft unseren Waldbewohnern, ihr Dasein im schneereichen Walser Winter zu bewältigen. Meine triebstarke Labradordame ist voll im Griff ihrer sensiblen Nase. Doch ihr Gehorsam gibt mir Sicherheit, dass sie immer wieder zu mir zurückkehrt. Und schon steht sie schwanzwedelnd bei mir und wartet auf eine verdiente Belohnung.
Ich habe noch nicht mal die Hälfte geschafft. Jetzt muss ich mehr Tempo zulegen, damit ich pünktlich im „kleinen karo“ dabei bin. Mein Vierbeiner stapft dicht hinter mir, um nicht im tiefen Schnee zu versacken. Plötzlich erschreckt mich etwas, ähnlich einem Donner, nein –viel gedämpfter als das – und schon vorbei. Was kann das gewesen sein? Meine Amy beginnt zu winseln, und ihr Blickkontakt wechselt zwischen mir und dem Waid-Stall. Tatsächlich, eine mächtige Dachlawine, ich sehe es noch Stauben vom massigen Neuschnee. Glück gehabt – wir Beide, bei dieser Schneemenge. Daran hatte ich ganz und gar nicht gedacht in meinem Schneeschuh-Rausch und halte kurz inne für ein Danke ans „über-mich“ und entschuldige meine Blindheit.
Aber wir müssen trotzdem weiter und Vorsicht üben. Ich entscheide mich für die steile Variante, um zügiger voranzukommen. Wie ich endlich bei der Wegüberquerung ankomme, muss ich anhalten und reiße meinen Anorak vom Leib, um einem Schweißausbruch Platz zu machen. Nach ein paar Schluck Walser Wasser geht es für Amy und mich hurtig bergauf. Schon können wir in "Platzhirsch’s" Spur einsteigen und Kräfte sparen. Schnell übernimmt Amy die Vorhut, und wir beschleunigen zusammen, derart bin ich adrenalin-beflügelt. Wie herrlich, mit so etwas an den Füßen im meterhohen Schnee querfeldein zu gehen. Ich laufe wie auf Watte durch einen „Traum in Weiß“ – hier – in Klein-Österreich. Wenn mir meine Füße gehorchen wie ein durchgetretenes Gaspedal – und mich dabei der Riezler Kirchturm immer wieder grüßt - glaubt es mir, dann fühle ich mich wie ein Millionär.
Die Höhenmeter wurden regelrecht verbrannt – und ich hab’s in meiner Begeisterung gar nicht bemerkt, dass wir schon am Ziel sind. Der “Platzhirsch“ steht in seinem rot-weiß-roten Schneedress vor mir und versucht, mich mit Walser Pulverschnee einzuseifen. Ich nehme diese kurze Abkühlung lachend an und lass mich schachmatt auf die Jausebank Richtung Sonne fallen.
Von drinnen hört man Lachen und Singen, begleitet von einer Mundharmonika. Während die Freunde ihren mitgebrachten Flachmann rumreichen, stürze ich mich auf Walser Nudelkuchen und Irmas selbstgemachten Heublumen-Honig-Tee aus der Thermoskanne. Denn eine solche Schneewanderung macht hungrig und durstig.
Doch plötzlich ist er wieder da – ausgerechnet, hatte ihn doch verdrängt - der gemeine Druck auf die Blase – und ich weiß gar nicht wohin, zu viele Mannsbilder um mich herum und einfach alles unpassend. Und die dürftige Spülung ist entweder abgeschaltet oder längst eingefroren, bin ich mir sicher. Wie gehe ich jetzt vor? Amy muss herhalten, sie begleitet mich schnell vor die Hütte und seitlich in den tiefen Neuschnee. Plumps, das war jetzt mehr als unschön, aber trotzdem fühle ich mich wie um viele Kilos leichter, auch wenn alles ab Bauchnabel eisig kalt ist. Aber was soll’s. Das muss ein Millionär aus Liebe aushalten. Und ganz schnell genieße ich wieder meinen Blick auf Riezlern und grüße meinen Kirchturm zurück. Hoffentlich hat er nicht alles gesehen!!!! Hilfe – ein kleines Fenster hat sich aufgetan – und schnell wandel ich mit Amy im Tiefschnee zurück zur Hüttenrunde im „kleinen karo“.
In dieser herrlichen "Platzhirsch"-Runde teilen wir miteinander schöne erlebte Momente übers Schifahren, Wandern und Spaßhaben hier in Klein-Österreich, als auch dem Temporausch beim Carven oder die watteweiche Wonne beim Powdern mit dem "Platzhirsch", dem besten Schilehrer weit und breit. Es wird viel gelacht, sich ausgetauscht – und auch der Durst gestillt und für den Heimweg tüchtig „eingeheizt“.
Jetzt ist’s soweit. Ein unvergesslicher Hüttenabend mit dem „Platzhirsch“ geht zu Ende. Wir verlassen gemeinsam das „kleine karo“. Draußen wartet ein großes Naturkino auf uns. Der Walser Mond zeigt sich nackt und in seiner ganzen Größe. Er leuchtet uns jetzt den meter-hohen Heimweg neben funkelnden Sternen. Spät ist es für mich geworden. Mein beabsichtigtes Vorkochen, weil am nächsten Tag Besonderheiten auf mich warten, ist total versemmelt. Das bekomme ich heute nicht mehr hin. Denn meine geplanten Rouladen liegen zu Hause noch bei –18 Grad im Keller. Aber was soll’s.
Jetzt geht’s wieder bergab ins Tal. Der Heimweg bei Mondschein vom „kleinen karo“ ist mehr als abenteuerlich, weil alle Freunde viel mehr sind als nur Fortgeschrittene. Es ist zu schön, das Einsinken im tiefen und weichen Schnee. Jedoch auf Anraten vom „Platzhirsch“ nur mit gedrosseltem Tempo, so dass Stürzen und „Sich-in-weichen-Schnee-fallen-lassen“ ein Spaß bleibt, wenn dieser und jener bis zum Hals im Tiefschnee versinkt und Schneestaub herumwirbelt. Diese Heimkehr und zudem bei Walser Vollmond gehört zu den schönsten Erlebnissen und dem größten Genuss für einen Schifahrer.
Meine Labradordame und ich haben uns mit Schneeschuhen für einen gespurten Weg durch junges Gehölz entschieden, da, wo wir jährlich unsere Weihnachtstanne holen. Er ist recht anspruchsvoll und steil, jedoch mit Vierbeiner ein Garant für sicheres Runterkommen. Zudem nochmals ein gutes Vorbeugen gegen Ausleiern des Bindegewebes.
Endlich und Gott sei Dank glücklich daheim angekommen in diesem Winter „de Luxe“ hier in Klein-Österreich. Ich freue mich schon für meine treuen „Osterhasen“-Gäste, dass auch sie noch Teilhaber werden können an diesem Wintertraum.
Und wie schön – mein Kirchturm – ganz zum Greifen nah - ist er wieder da. Hurra!
Eure Tintenfee...
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